Wie gelingt die KMU-Nachfolge ausserhalb der Familie?

Viele KMU in der Schweiz sind als Familienunternehmen organisiert. Sie stehen für Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit und gesellschaftliche Verantwortung, aber auch für Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit.

Klar, dass die Inhaberinnen und Inhaber ihre Unternehmen am liebsten innerhalb der Familie weitergeben möchten. Doch dies ist nicht immer die beste Lösung. Dass die Nachfolge auch ausserhalb der Familie gelingen kann, zeigt das Beispiel der Garten Holenstein AG. 

Geschäftsführer und Inhaber Bruno Holenstein hat kürzlich sein Unternehmen an die B+G Gruppe aus Bern verkauft, da die Nachfolge innerhalb der Familie nach sorgfältiger Prüfung nicht möglich war. «Mein Sohn hat zwar Landschaftsarchitektur studiert, doch die volle Geschäftsübernahme hatte für ihn nicht Priorität», so Bruno Holenstein. Auch die Übernahme durch Kadermitarbeitende kam aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Der Nachfolgespezialist der St.Galler Kantonalbank empfahl deshalb, den Kreis der möglichen Nachfolger auszuweiten und stellte den Kontakt zur B+G Gruppe her, die als mögliche Käuferin in Frage kam – eines der führenden Unternehmen in dieser Branche mit aktuell rund 700 Mitarbeitenden und über 20 Standorten. Nach einem ersten Kennenlernen und konstruktiven Verhandlungen kam es zum erfolgreichen Abschluss. 

Vorteile durch Zusammenschluss

Die Gartenbau Holenstein AG hat ihren Sitz in Rapperswil-Jona und beschäftigt, je nach Saison, 35 bis 40 Mitarbeitende. Bruno Holenstein leitet das Unternehmen seit der Gründung vor rund 43 Jahren, damals noch unter dem Namen «Gartenbau 2000».

Die Übernahme bringt zahlreiche Vorteile für beide Unternehmen mit sich. Dazu gehören Synergien im administrativen Bereich, wie einheitliche IT-Lösungen und Versicherungen, sowie technische Modernisierungen im Rapport- und Bestellwesen. «Auch im Personal- und Maschinenbereich ergeben sich durch die Möglichkeit der Ausleihe von Personal und Maschinen neue Chancen. Der gemeinsame Marktauftritt und die Werbung werden ebenfalls gestärkt», ist Bruno Holenstein überzeugt. Letztlich wird durch die Übernahme auch die Weiterexistenz der Firma sichergestellt.

Für die Mitarbeitenden und Kunden der Gartenbau Holenstein AG ändert sich indes wenig. «Der gesamte Mitarbeiterstamm wurde übernommen und die Kunden werden weiterhin wie gewohnt betreut. Das Firmenlogo und die Webseite werden angepasst, der Firmenname bleibt jedoch bestehen», so Holenstein.

Neuen Ideen Platz geben

Den Prozess zur Nachfolgeplanung hat Bruno Holenstein bereits vor rund fünf Jahren gestartet. Dabei hat ihn die St.Galler Kantonalbank unterstützt. «Die Zusammenarbeit mit der SGKB verlief sehr positiv, fair und professionell. Der Prozess war für mich emotional herausfordernd. Ich benötigte viel Geduld und Ausdauer», meint Bruno Holenstein. Zudem sei es wichtig, auch negative Entwicklungen offen anzusprechen. «Eigentlich ist es ja schön, Verantwortung abzugeben und neuen Ideen Platz zu geben», fasst Holenstein sein Fazit zusammen. Seine Tipps an andere KMU, die eine Nachfolgelösung suchen, sind: sich nicht drängen zu lassen, auf das Bauchgefühl zu hören und die Bedenken der Mitarbeitenden und Familienmitglieder ernst zu nehmen.


Wir haben Marc Bruggmann, Leiter Unternehmensnachfolge bei der St.Galler Kantonalbank, zu Trends bei den Nachfolgelösungen befragt.

Marc Bruggmann, stimmt es, dass immer noch viele KMU-Inhaber sich eine familieninterne Nachfolgelösung wünschen?

Unternehmerinnen und Unternehmer sind oft der Meinung, dass nur eine familieninterne Nachfolge eine gelungene Unternehmensnachfolge ist. Man sollte sich jedoch primär die Frage stellen, was die bestmögliche Nachfolgelösung für das Unternehmen ist. Das tun weitsichte Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie gehen die Nachfolge offen an und wägen verschiedene Lösungen ab. Unsere Erfahrung zeigt, dass Lösungen ausserhalb der Familie zunehmen. 

Wie viele Unternehmerinnen und Unternehmer finden eine Nachfolge innerhalb der Familie?

Eine familieninterne Nachfolge, also ein Family-Buy-out oder FBO, kommt in etwa 40 % aller Nachfolgefälle zum Tragen. Eine Nachfolge bzw. Verkauf an Mitarbeitende – hier sprechen wir von einem Management-Buy-out oder MBO– macht rund 30 % der Nachfolgelösungen aus. Die restlichen 30% werden mit einem Verkauf an externe Führungskräfte oder Dritte, bspw. strategische Käufer oder Finanzinvestoren, realisiert. Die letztgenannte Option nimmt zu. 

Welche Vorteile ergeben sich durch eine familieninterne Nachfolge? Welche Nachteile bringt diese Lösung mit sich?

Für eine familieninterne Weitergabe sprechen insbesondere die Fortführung einer Familientradition und Kontinuität in der Unternehmensstrategie. Zudem ist der Übernehmer bzw. die Übernehmerin bekannt.

Mögliche Friktionen entstehen vor allem dann, wenn es verschiedene potenzielle Nachfolgekandidaten innerhalb der Familie gibt oder unterschiedliche Interessen vorliegen – auch zwischen Unternehmens- und Familieninteressen. Zudem kann es vorkommen, dass der oder die Nachfolger nicht die volle Transparenz über den (finanziellen) Zustand des Unternehmens haben oder es unterschiedliche Auffassungen zur zukünftigen Entwicklung gibt.

Die Gleichbehandlung von weiteren Familienmitgliedern gilt es ebenfalls zu berücksichtigen, z.B. bezüglich erbrechtlicher Aspekte.

Damit ein FBO gelingt, sollte somit früh und transparent mit den potenziellen Nachfolgern gesprochen werden. Zudem muss die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger bereit sein, Unternehmerin oder Unternehmer zu werden. Dies setzt nebst fachlichen Qualifikationen auch Führungsstärke und -wille voraus.

Die Umsetzung von FBO-Lösungen benötigt im Vergleich zu anderen Lösungen deutlich mehr Zeit – oft mehr als 10 Jahre. Es empfiehlt sich daher, auch andere Nachfolgevarianten gleichzeitig zu prüfen.

Warum wird es immer schwieriger für heutige KMU, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger innerhalb der Familie zu finden?

Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Berufsbilder sind im Wandel und die Kinder haben Interesse an anderen Berufen. Die zunehmende «Akademisierung» wirkt als Verstärker. Wir stellen zudem eine abnehmende Risikobereitschaft der nachfolgenden Generation fest, bzw. ein erhöhtes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Das heisst: eigene Wünsche sind wichtiger als das Familienunternehmen. Ein weiterer Grund liegt in der zunehmenden Komplexität der Unternehmensführung. Heute sind andere Fähigkeiten und Rollen gefragt als früher.

Gibt es neben dem Alter, dem wohl häufigsten Grund für eine Nachfolge, auch andere Gründe, die ein KMU zu einer Nachfolge bewegen?

Das Alter ist nach wie vor der wichtigste Grund, eine Nachfolge anzugehen. Wobei Alter ein relativer Begriff ist. In Anbetracht der Zeit, die für die Umsetzung der Nachfolge benötigt wird, empfehlen wir, sich spätestens mit 55 Jahren konkret mit der Unternehmensnachfolge auseinanderzusetzen. Und zwar auf den beiden Ebenen Geschäftsführung und Eigentum.

Die persönliche Gesundheit und das Leistungsvermögen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die familiäre Situation kann ein weiterer Faktor sein. Gibt es mögliche Nachfolgerinnen oder Nachfolger, die rechtzeitig das Ruder übernehmen können und wollen?

Können auch andere wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen?

Ja, nebst den genannten persönlichen Gründen gibt es handfeste wirtschaftliche Überlegungen: Es kann beispielsweise ein attraktives Übernahmeangebot auf dem Tisch liegen. Vorteilhafte Marktentwicklungen können ebenso entscheidend sein. Ein Unternehmen verfügt zum Beispiel über eine innovative Technologie, benötigt aber einen Partner für die Markterschliessung, die es aus eigener Kraft nicht bewerkstelligen kann. Oder das Marktumfeld trübt sich ein und ein Verkauf ist heute zu besseren Bedingungen umsetzbar als in der Zukunft.

Fachkräftemangel kann auch ein Grund sein, dass eine Nachfolgelösung angestrebt wird. In einer grösseren Einheit können einfacher Fachkräfte angeworben werden.

Auch hier ist jede Unternehmenssituation einzigartig. Und je früher man sich Gedanken zum zukünftigen Zielbild des Unternehmens macht, desto vorteilhafter. 

Viele Unternehmen kämpfen mit hohem Wettbewerbsdruck und anspruchsvollen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es stehen hohe Investitionen in Digitalisierung oder Automatisierung an. Sich mit einem anderen Unternehmen zusammenzuschliessen, könnte sinnvoll sein und gleichzeitig das Nachfolgeproblem lösen – was meinen Sie?

Korrekt. Eine solche Ausgangslage könnte ein Auslöser sein, sich mit der Zukunftsfähigkeit als eigenständiges Unternehmen auseinanderzusetzen. Aus der Stärke heraus agieren bedeutet jedoch, dass man sich der zukünftigen Herausforderungen bewusst wird.

Die Eigenständigkeit um jeden Preis zu bewahren zu wollen, könnte in solchen Situationen eine sinnvolle Lösung blockieren.

Mittlerweile gibt es in verschiedenen Branchen Unternehmen, die bewusst eine Akquisitionsstrategie verfolgen. Welchen Einfluss hat dies auf den Nachfolge-Markt?

Akquisitionen oder Firmenübernahmen sind Ausdruck einer Konsolidierung innerhalb einer Branche. Entscheidungsträger stellen sich die Frage, wie sie ihre strategischen Ziele am besten erreichen. Soll ein neuer geografischer Markt aus eigener Kraft erschlossen werden oder könnte die Markterschliessung durch eine gezielte Übernahme effizienter erfolgen? Die Motive, um Übernahmen zu tätigen, sind je nach Branche sehr unterschiedlich. Wachstumspotenziale, Skaleneffekte, aber auch Kostendruck können eine Rolle spielen. Es ist wichtig, die branchenspezifischen Treiber zu erkennen und daraus die richtigen Handlungsoptionen für die eigene Unternehmenssituation abzuleiten.

Was sind die Treiber für diese Entwicklung?

In der IT-Branche sind die fortschreitende Digitalisierung oder die Entwicklung neuer Technologien wie KI und Blockchain wesentliche Treiber. Zugang zu Knowhow und qualifizierten Fachkräften sind relevante Wachstumstreiber. Beides kann durch Übernahmen erworben werden.

In der Gesundheitsbrache muss u.a. das Kostenwachstum eingeschränkt werden. Dabei können Zusammenschlüsse zu Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen beitragen.

Auch in handwerklich geprägten Branchen kommt es zu Übernahmen. Dabei spielen Synergien im Einkauf, der Ausbau des Leistungsangebotes, aber auch der Fachkräftemangel eine wichtige Rolle. Letztes Jahr durften wir den Inhaber eines regionalen Gartenbauunternehmens im Zusammenschluss mit einer führenden Schweizer Landschafts- und Gartenbaugruppe begleiten (Anmerkung: Siehe das Beispiel Gartenbau Holenstein AG oben). Von der Integration in eine grössere Gruppe profitieren auch die Mitarbeitenden dank attraktiven Entwicklungs- und Schulungsprogrammen. Eine gut vorbereitete Akquisition bietet somit Chancen für beide Seiten: Käufer und Verkäufer.