Transformation der Autoindustrie – Chance oder Risiko für Ostschweizer KMU?

Das Konjunktur- und Trendforum «Horizonte» beleuchtete in diesem Jahr die Automobilindustrie. Die Branche steckt in einem umwälzenden Transformationsprozess. Insbesondere die europäischen Automobilkonzerne stecken in einer existenziellen Krise.

Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) präsentierte in seinem Referat, wo die Reise hingehen könnte und worauf sich Hersteller mit der neuen chinesischen Konkurrenz vorbereiten müssen.

René Walser, Leiter Privat- und Geschäftskunden der St.Galler Kantonalbank, begrüsste die zahlreichen Gäste in der Linde in Teufen mit einer Reihe beunruhigender Schlagzeilen wie etwa «VW-Krise», «drohende Massenentlassungen», «Umsatzeinbruch in der Automobilbranche». Ist es wirklich so schlimm, fragte er rhetorisch ins Publikum. «Fliegen uns die Chinesen mit ihren Innovationen bald im wahrsten Sinne des Wortes davon?», so Walser. Und weiter: Was bedeutet dies für die Ostschweiz, in der viele KMU als Zulieferer für die Autoindustrie tätig sind? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat die SGKB den bekannten Experten und Redner Prof. Dr. Stefan Bratzel eingeladen.

Transformation der Branche

Die Automobilindustrie befindet sich laut Bratzel in einer tiefgreifenden Transformation, geprägt durch Elektromobilität, Digitalisierung und neue Mobilitätskonzepte. Hersteller und Zulieferer müssten sich daher anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch die E-Mobilität und die sogenannten «software-definierten Fahrzeuge» kommen ganz neue Player ins Spiel. Das sind zum einen Mobilitäts-Provider wie Uber, die neue Mobilitätskonzepte anbieten und dadurch den Markt auf den Kopf stellen. Zum anderen sind es Software- und Technologie-Unternehmen, die für die Automobilindustrie zu wichtigen Partnern werden. Oder die sich gleich selbst neben die traditionellen Hersteller als Wettbewerber aufstellen und innovative Geschäftsmodelle realisieren – wie das Beispiel der selbstfahrenden Robotaxis von Waymo, einer Schwesterfirma von Google, in San Francisco eindrücklich zeigt.

China überholt Deutschland

Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wächst weltweit, insbesondere in China. Stefan Bratzel zeigte eindrücklich, wie schnell und umfassend die chinesischen Unternehmen den Weltmarkt erobert haben. Dies bestätigen nicht nur die Verkaufszahlen, denn auch in Bezug auf die Innovationsstärke haben die Chinesen mittlerweile die Nase vorn und die deutschen Automarken überholt. Für Bratzel ist klar: «Deutsche Hersteller müssen ihre Innovationsanstrengungen intensivieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.»

Digitalisierung wird Schlüsselkompetenz

Schon jetzt sind die Fahrzeuge mit Software ausgestattet, die Plattform ist jedoch oft kompliziert und muss Schnittstellen zu unterschiedlichsten Zulieferern berücksichtigen. In Zukunft wird die Bedeutung der Software weiter zunehmen. Automobilhersteller müssten sich quasi zum Softwareunternehmen entwickeln, meint Bratzel. Themen wie vernetzte Dienste und personalisierte Anwendungen werden immer wichtiger. Aber auch das Datenmanagement wird zentral: Dazu gehört die Fähigkeit, Fahrzeug- und Nutzerdaten zu sammeln, zu analysieren und sinnvoll zu nutzen. Kooperationen mit anderen Unternehmen, die sinnvolle Anwendungen mit diesen Daten entwickeln können, werden zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Chancen für Autozulieferer?

Die Umstellung auf Elektromobilität, Digitalisierung und neue Mobilitätskonzepte erfordert auch von Zulieferern erhebliche Veränderungen. Die zunehmende Bedeutung von Software und vernetzten Diensten im Fahrzeug erfordert von Zulieferern Kompetenzen in Softwareentwicklung, Datenanalyse oder Cybersecurity. Traditionelle Zulieferer müssen in diese neuen Technologien investieren und gegebenenfalls Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zulieferer sollten ihre Produktpalette diversifizieren und in neue Geschäftsfelder investieren, die im Zuge der Transformation an Bedeutung gewinnen, wie beispielsweise Batterietechnologie, Sensorik für autonome Fahrsysteme oder digitale Dienstleistungen. Die Zusammenarbeit mit Start-ups und Technologieunternehmen kann den Zugang zu innovativen Technologien erleichtern und die eigene Innovationskraft stärken. «In Zeiten der Disruption helfen die Konzepte aus der Vergangenheit nicht mehr aus. Sie müssen sich verändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben», so der Rat von Stefan Bratzel.

Prof. Dr. Stefan Bratzel