Arbeitsmigration: Was wäre, wenn niemand mehr käme?
Die IHK St.Gallen-Appenzell machte am diesjährigen Konjunkturforum «Zukunft Ostschweiz» in der Olma-Halle klar: Die Wirtschaft sei auch weiterhin auf die Personenfreizügigkeit angewiesen. Sonst drohe Wohlstandsverlust. Der Anlass, der zusammen mit der St.Galler Kantonalbank organisiert wurde, zog auch dieses Jahr rund 1000 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an.
Die Schweizer Wirtschaft gehört zu den erfolgreichsten weltweit. Seit Ende des 19. Jahrhunderts zieht die Schweiz Arbeitskräfte aus anderen Ländern an, was unser Wirtschaftswachstum überhaupt erst möglich gemacht hat. Doch die Akzeptanz der Arbeitsmigration bröckelt immer mehr: Dichtestress in den Städten, Verkehrsprobleme und Staus, überfüllte Züge zu Stosszeiten, Integrationsschwierigkeiten oder Sicherheitsbedenken begleiten seit einiger Zeit die Berichterstattung in den Medien. Es gibt Stimmen, die der Personenfreizügigkeit einen Riegel vorschieben möchten – dies brachte IHK-Direktor Bänziger auf theatralische Weise zum Ausdruck, indem er den Schlagbaum auf der Bühne schloss.
Arbeitsmigration schafft Wohlstand
Das Fazit der IHK lässt sich wie folgt zusammenfassen: Würde man die Personenfreizügigkeit einschränken, führte dies zu Wohlstandsverlust. Der Ostschweiz würden die Arbeitskräfte ausgehen, denn die Anzahl an Personen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, wird immer grösser. Gleichzeitig rücken aber immer weniger junge Arbeitskräfte nach. Die inländische Erwerbsbevölkerung schrumpft somit erbarmungslos. Die Schere zwischen den nachgefragten und den verfügbaren Arbeitskräften geht immer weiter auf. «Ja, eine wachsende Bevölkerung ist eine Herausforderung. Aber eine schrumpfende Bevölkerung ist ein Problem», brachte es Direktor Bänziger auf den Punkt. Schon in 10 Jahren würden der Schweiz 460'000 Vollzeitbeschäftigte fehlen.
Ohne Migranten kein Schweizer Gemüse
Die eingewanderten Arbeitskräfte seien für die Ostschweizer Wirtschaft aber schon jetzt unabdingbar. Das zeigten die Gäste in der Podiumsdiskussion auf. Zum Beispiel Nicolas Härtsch, dessen Ausserrhoder Firma Varioprint Menschen aus 21 Nationen beschäftigt, oder Ursula Dürr, Geschäftsleitungsmitglied der Verdunova in Sennwald: «Ohne unsere polnischen Mitarbeiterinnen würde kaum noch Gemüse aus der Region auf den Teller kommen», gab sie zu bedenken.
Salome Zeintl, Geschäftsleitungsmitglied der Zeintra AG in Wil, hob in der Diskussion die Wichtigkeit eines unbürokratischen Zugangs zu ausländischen Arbeitskräften hervor: «Als Vertreterin der vierten Generation unseres Familienunternehmens möchte ich weiterhin in der Schweiz produzieren. Das wäre ohne ausländische Arbeitskräfte kaum noch möglich.» Und auch Jakob Gülünay, Geschäftsführer der Säntis Schwebebahnen AG, bekräftigte: «Ohne Mitarbeitende mit Migrationshintergrund wäre der Betrieb auf der Schwägalp nicht möglich. Sie übernehmen Positionen, die Einheimische seltener besetzen, etwa in der Küche oder im Housekeeping.»
Wirtschaftliche Erholung lässt auf sich warten
Traditionsgemäss widmete sich «Zukunft Ostschweiz» auch der konjunkturellen Entwicklung. Das globale Umfeld bleibt für die Ostschweizer Wirtschaft herausfordernd, eine schwache Nachfrage aus dem Ausland und speziell aus Deutschland drückt auf die hiesigen Exporte. Düster sieht es vor allem für die Industrie aus. Die Regierungsauflösung in Deutschland sowie der anstehende Machtwechsel in den USA schaffen zusätzliche Unsicherheiten. «Es läuft sicher nicht so rund, wie wir das gerne hätten, doch ist die Lage auch nicht vergleichbar mit den Krisen vergangener Jahre», so KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm. Insgesamt lasse eine spürbare Erholung aber nach wie vor auf sich warten.
Mehr Infos unter:
www.ihk.ch/zukunft-ostschweiz-2024