22. Juli 2024, Tägliche Marktsicht

Schuldenabbau trotz Steuersenkung, schön wärs

Die US-Schulden sind auf 34'800 Mrd. US-Dollar gestiegen. Damit die Schuldenquote nicht weiter ansteigt, sollte zumindest das Budgetdefizit kleiner sein als das nominelle BIP-Wachstum. Das dies in der nächsten Legislatur geschieht, ist jedoch unwahrscheinlich, unabhängig vom Wahlsieger im November.

Im Fokus

Die Chancen für Donald Trump stehen gut, wieder in das Weisse Haus einzuziehen. Die durchschnittliche Wettquote, welche von Real Clear Politics veröffentlicht wird, gibt eine Wahrscheinlichkeit von 60% an, dass Trump die Wahl gewinnen wird. Das sind 5% weniger als nach dem auf ihn verübten Attentat, aber immer noch eine solide Führung. Die Quote für Präsident Biden ist auf 8% eingebrochen. Offensichtlich gingen die meisten Bieter nicht mehr davon aus, dass er im November überhaupt zur Wahl stehen wird. Man kommt daher nicht darum herum, sich mit den möglichen Ideen einer zukünftigen Trump-Regierung näher auseinander zu setzen.

Wie so vieles bei Donald Trump ist auch sein Wirtschaftsprogramm vage und veränderlich. Zwei Themen, die er immer wieder in den Vordergrund rückt, sind das Senken der Steuern und der Abbau der US-Schulden. Das ist nichts Neues und gehört zum Standardprogramm republikanischer Präsidentschaftskandidaten. Ronald Reagan hatte es in den 1980er-Jahren versucht. Er bezog sich bei seinen «Reaganomics» auf die Laffer-Kurve, welche besagt, dass tiefere Steuersätze das Wirtschaftswachstum so stark ankurbeln, so dass die Steuererträge gar höher ausfallen. Während der Amtszeit von Reagan hat es nicht funktioniert. Die Steuererträge sind gefallen und die Schulden sind gestiegen, von 1'000 Mrd. US-Dollar auf aus heutiger Sicht harmlose 3'000 Mrd. US-Dollar.

Während seiner ersten Amtszeit hat sich Trump nicht als guter Hüter der Staatsfinanzen erwiesen. Am Ende der Präsidentschaft Obamas betrug das US-Budgetdefizit 3% des BIP. Bis im Frühjahr 2020 vor Ausbruch der Covid-Pandemie ist es auf 5% des BIP gestiegen und die Schuldenuhr zeigte schon einen Wert von 23'700 Mrd. US-Dollar an. Das Wirtschaftswachstum während dieser Zeit pendelte bei 3%, nahm also trotz der damaligen Steuersenkung von Trump für Reiche und Unternehmen nicht zu.

Die Wahrscheinlichkeit wird auch in Zukunft gering sein, dass tiefere Maximalsteuersätze effektiv zu höheren Steuereinnahmen führen. Wenn Trump die Schulden wirklich abbauen will, ist Sparen angesagt. Er und sein Umfeld wollen ganze Ministerien streichen, Tausende von Beamten entlassen und die Sozialleistungen massiv kürzen. Ob das effektiv umgesetzt wird, steht allerdings in den Sternen, da die eigene Klientel ja nicht enttäuscht werden darf. Zudem ist das Sparen im US-Haushalt praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Rund 60% der Ausgaben sind durch Sozialprogramme wie Medicare, Medicaid und ähnlichen gebunden. Diese anzugehen, wagt sich kein Politiker und keine Partei, die wiedergewählt werden wollen. Weitere 13% werden für das Militär ausgegeben, welches in den USA unantastbar ist. 14% des Budgets müssen mittlerweile für den Zinsendienst aufgewendet werden. Es bleiben somit nur wenige Bereiche, bei denen gespart werden kann.

Die US-Schulden sind auf 34'800 Mrd. US-Dollar gestiegen. Die Ausgaben für die Unterstützung der Wirtschaft und der Bevölkerung während der Pandemie sowie die massiven Ausgabenprogramme von Joe Biden haben tiefe Spuren hinterlassen. Das Budgetdefizit ist unter Biden auf 6.5% des BIP gestiegen, wiederum trotz einer gut laufenden Wirtschaft. Eine Trendwende wäre dringend notwendig. Zumindest sollte das Budgetdefizit kleiner sein als das nominelle BIP-Wachstum, damit die Schuldenquote nicht weiter ansteigt. Das dies in der nächsten Legislatur geschieht, ist jedoch unwahrscheinlich, unabhängig vom Wahlsieger im November. Trump würde das Geld mit vollen Händen ausgeben, um sich und seine Anhänger zufriedenzustellen. Sollten die Demokraten doch noch den Präsidenten oder die Präsidentin stellen, wären neue Ausgabenprogramme unter dem Deckmantel der Energiewende fast sicher. Die Wette einzugehen, dass die US-Schulden in den nächsten vier Jahren weiter steigen werden, ist nicht gewagt.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: -0.93%, S&P500: -0.71%, Nasdaq: -0.81%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -0.88%, DAX: -1.00%, SMI: -0.61%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: -1.17%, HangSeng: +0.82%, S&P/ASX 200: -0.72%

Mögliche Exportbeschränkungen für Chips nach China haben ausgehend von den Technologieaktien auf breiter Front Gewinnmitnahmen ausgelöst. Das dies nach dem monatelangen Rallye an den Börsen einmal kommen musste, ist keine Überraschung.  Der S&P 500 verlor letzte Woche 1.97%. Die europäischen Aktien sanken um 4.28%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 1.60% abschloss.

Der Handel an den Aktienmärkten wird momentan stark durch die Konjunkturdaten aus den USA getrieben. Jede Konjunkturzahl wird dahingehend interpretiert, was sie für die Zinspolitik der Fed bedeutet. Veränderungen in den Inflationsdaten von 0.1% nach oben oder unten werden als Untergang oder Rettung gesehen und lassen die Aktienkurse fallen oder steigen. Bis zur nächsten Inflationszahl, die leicht anders ausfällt. Schwächere Daten aus dem US-Arbeitsmarkt werden bejubelt, da sie als inflationsdämpfend gesehen werden. Wichtiger ist, auf die Aussagen der Fed selber zu achten. Diese gibt sich angesichts der immer noch zu hohen Inflation zurecht vorsichtig. Sie signalisiert jedoch, dass sie gewillt ist, noch in diesem Jahr mit Zinssenkungen zu beginnen. Die Geldmarkt- und Kreditzinsen in den USA sind für die Wirtschaft zu hoch. Bisher hat sich die US-Konjunktur als resistent erwiesen. Nun mehren sich aber die Anzeichen, dass die wirtschaftliche Dynamik abnimmt. Schwächere Konsumausgaben sind für eine konsumgetriebene Wirtschaft wie diejenige Amerikas ein Warnzeichen. Die Zahl der offenen Stellen hat auf einem hohen Niveau deutlich abgenommen. Das drückt auf die Stimmung, auf die Lohnsteigerungen und mit der Zeit auch auf den Inflationsdruck. Die Fed wird rechtzeitig mit tieferen Zinsen Gegensteuer geben, da es eine Weile dauert, bis eine expansivere Geldpolitik in der Wirtschaft ihre stimulierende Wirkung erzielen kann. Der Pfad für die Aktienmärkte stimmt nach wie vor. Alles auf die Aktien setzen muss man momentan aber nicht, was für eine Aktienquote in der Höhe der persönlichen Anlagestrategie spricht.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.225%; DE: 2.467%; CH: 0.603%

Der Entscheid der EZB, die Leitzinsen vorderhand nicht weiter zu senken, hat auf die Renditen der Obligationen keine nennenswerten Auswirkungen gehabt. Der Nullentscheid wurde so auch erwartet. Wie wir die Zinspolitik der EZB einschätzen und welche Auswirkungen sie auf die SNB hat, erläutern wir hier

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.8886
Euro in US-Dollar: 1.0888
Euro in Franken: 0.9675

Der Franken hat gegenüber den anderen Währungen zugelegt. Gegenüber dem US-Dollar gewann er an einem Tag einen Rappen. Der Hintergrund dieser Franken-Käufe ist nicht offensichtlich. Sie dürften durch modellgesteuerte Handelsstrategien ausgelöst worden sein. Der Rückzug Bidens aus dem Präsidentenrennen hat die Wechselkurse kaum verändert.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 80.54 pro Fass
Goldpreis: USD 2'406.27 pro Unze

Von den Rohstoffmärkten gibt es nichts Neues zu berichten, das in dieser Rubrik erwähnenswert wäre.

Wirtschaft

Bei den Konjunkturdaten herrscht Sommerflaute. Erst in der zweiten Wochenhälfte wird die Spannung wieder etwas zunehmen. Am Donnerstag wird die erste Schätzung für das US-Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal publiziert. Die Ökonomen gehen davon aus, dass es mit 1.9% gut, aber nicht euphorisch, ausgefallen ist.

Thomas Stucki

Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich