29. Juli 2024, Tägliche Marktsicht
Warten auf die Fed
Mitte Woche wird die US-Notenbank Fed ihren nächsten Zinsentscheid fällen. Alles andere als die Beibehaltung des aktuellen Leitzinses wäre eine Überraschung, auch wenn zuletzt Stimmen laut wurden, bereits am Mittwoch mit einer Zinssenkung aktiv zu werden.
Im Fokus
Am Mittwoch wird die Fed ihren nächsten Zinsentscheid fällen. Alles andere als die Beibehaltung des aktuellen Leitzinses von 5.25% bis 5.50% wäre eine Überraschung, auch wenn Grössen wie Bill Dudley, der frühere Präsident der New York Fed, die Notenbank auffordern, bereits am Mittwoch mit einer Zinssenkung aktiv zu werden. Wichtiger wird daher sein, ob Jerome Powell Hinweise auf eine Zinssenkung im September geben wird.
Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal mit annualisierten 2.8% wieder stärker gewachsen als im Vorquartal und hat die Erwartungen der Ökonomen übertroffen. Das Wachstum war breit abgestützt. Sowohl der Private Konsum als auch die Investitionen trugen überdurchschnittlich dazu bei. Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass die konjunkturelle Abschwächung auch die USA erreicht hat. Die Auftragseingänge dauerhafter Güter sind auf dem Rückzug. Vorauslaufende Indikatoren wie die ISM-Einkaufsmanagerindizes oder das von der University of Michigan ermittelte Konsumentenvertrauen deuten auf einen Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit hin. Die schwächere Tendenz zeigt sich auch im Arbeitsmarkt, der lange als solider Block in der Brandung alle Gegenwinde abblockte. Die Neuanträge für die Arbeitslosenversicherung nehmen auf tiefem Niveau zu, ebenso die Arbeitslosenrate. Im Gegenzug nimmt der Lohndruck ab. Der von der Atlanta Fed ermittelte Lohnanstieg ist von 6.7% im Inflationsjahr 2022 auf 4.7% gesunken. Das alles bedeutet nicht, dass in den USA eine Rezession vor der Tür steht. Da sich geldpolitische Entscheide jedoch erst mit einer Verzögerung auf die wirtschaftliche Aktivität auswirken, tut die Fed gut daran, rechtzeitig Gegensteuer in Form tieferer Zinsen zu geben.
Der geringere Lohndruck und die schwächere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wirkt sich auch dämpfend auf die Inflation aus. Der von der Fed favorisierte PCE-Core-Index liegt mit 2.6% noch über ihrem Zielwert. Die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen Inflationsschubes nach oben ist jedoch gering. Das gibt der Fed den nötigen Freiraum, ihren zweiten Auftrag, die Arbeitslosenrate tief zu halten, stärker in ihre Zinsentscheidung einzubeziehen.
Bleibt die politische Frage, ob die Fed kurz vor der Präsidentschaftswahl die Zinswende einläuten und sich damit dem Vorwurf der Einflussnahme auf die Wahl aussetzen will. Von einer Zinssenkung profitiert vor allem die aktuelle Regierung. Diese Frage wäre berechtigt, wenn der Zinsentscheid kurz vor dem Wahltermin im November getätigt würde. Wenn die Fed Mitte September die erste Zinssenkung macht, geht es bis zu den Wahlen aber noch lange. Der nächste Termin wäre dann Anfang November, kurz nach den Wahlen.
Wir stimmen mit den aktuellen Markterwartungen überein und gehen auch davon aus, dass die Fed am 18. September die erste Zinssenkung machen wird. Danach wird sie bis im nächsten Sommer den Leitzins auf 4.25% bis 4.50% drücken. Damit ist unsere Prognose weniger aggressiv als die aktuelle Markteinschätzung, wobei sich letztere schnell wieder ändern kann. Wichtiger als das Tempo wird das Zielniveau der Zinssenkungen sein. Die Fed geht momentan von einem langfristig neutralen Leitzins von 2.6% aus. Andere wie Larry Summers sehen diesen schon bei 4.5% gegeben. Wir befinden uns zwischen den beiden und sehen den konjunkturneutralen Zins in den USA bei rund 3.5%.
Interessant wird sein, wie die Aktienmärkte auf die erste Zinssenkung der Fed reagieren werden. Bisher profitierten die Aktien von der Hoffnung und der Erwartung auf Zinssenkungen. Dieser Faktor wird sich abschwächen und verloren gehen, wenn Zinssenkungen «business as usual» werden. Wichtig für eine Fortsetzung der guten Börsenstimmung wird dann sein, dass die US-Wirtschaft neue Stärke zeigen kann.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: +1.64%, S&P500: +1.11%, Nasdaq: +0.81%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +1.06%, DAX: +0.65%, SMI: +1.12%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: +2.52%, HangSeng: +1.82%, S&P/ASX 200: +0.78%
Am Freitag haben sich die Aktienmärkte erholt. Schwächere US-Konjunkturdaten haben die Erwartungen verstärkt, dass die erste Senkung der Leitzinsen durch die Fed nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Der S&P 500 verlor letzte Woche 0.83%. Die europäischen Aktien stiegen 0.73%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 0.58% abschloss.
Die Inflation ist in den USA in den letzten Monaten deutlich zurückgekommen. Sie liegt mit 3% nur noch wenig über dem Zielbereich der US-Notenbank. Insbesondere im Inland zeigt sich bei den Preisen für Dienstleistungen ein rückläufiger Trend, was der Zentralbank mehr Spielraum für eine Zinssenkung gibt. Dies widerspiegelt einerseits die sich abschwächende Wirtschaft und andererseits den weniger angespannten Arbeitsmarkt. Die Menschen haben zwar weiterhin Arbeit, aber die Löhne steigen nicht mehr im gleichen Umfang, was sich dämpfend auf die Konsumnachfrage auswirkt. Dies führt dazu, dass die inländischen Unternehmen ihre Preise nicht mehr beliebig weiter erhöhen können und somit die Lohn-Preis-Spirale durchbrochen werden kann. Die US-Notenbank wird daher im September die Zinswende einläuten. Tiefere Zinsen sind grundsätzlich positiv für die Aktienmärkte. Allerdings sorgt diese Neuausrichtung auch für Unsicherheit und bei den aktuell hohen Bewertungen ist der Schritt zu Gewinnmitnahmen klein. Die anstehenden US-Wahlen sind ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Der positiven Grundstimmung an den Aktienmärkten wird dies aber nur punktuell abträglich sein. Viele Akteure am Markt nutzen Rückschläge immer wieder für einen Aufbau von Aktien.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.176%; DE: 2.407%; CH: 0.532%
Die Zinsen in der Schweiz rutschen weiter ab. Die Kapitalmarktzinsen gehen davon aus, dass der Leitzins der SNB über Jahre hinaus unter 1.00% sein wird. Die SNB hat sich mit ihren vorzeitigen Zinssenkungen im Juni und vor allem im März selber unter Druck setzen lassen und einen rechten Teil ihrer Handlungsfreiheit verschenkt.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.8832
Euro in US-Dollar: 1.0859
Euro in Franken: 0.9591
Mit der zweiten Zinssenkung der SNB im Juni wurde der Franken erneut eingebremst. Dennoch macht der Franken zur Jahresmitte einen Teil seiner Kursschwäche wett. Längerfristig bleibt der grundlegende Trend hin zu einem stärkeren Franken intakt. Es spricht vieles dafür, dass die Inflation in der Schweiz auch in Zukunft tiefer sein wird als in den meisten anderen Ländern. Zudem stärken die tiefe Staatsverschuldung und die politische Stabilität den Franken. Wie wir zu dieser Einschätzung kommen, erläutern wir hier.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 77.26 pro Fass
Goldpreis: USD 2'394.50 pro Unze
Der Kakaopreis ist im März in die Höhe geschossen und hat sich innert kurzer Zeit mehr als verdoppelt. Seither ist er wieder etwas gesunken. Die Schwankungen sind aber nach wie vor so gross, dass Kakao den Bitcoin diesbezüglich in den Schatten stellt. Das ist für die Schokoladeproduzenten ein schwieriges Umfeld. In den letzten Jahren bis 2022 bewegte sich der Kakaopreis recht träge.
Wirtschaft
USA: Personal Income (Juni) letzte: 0.4%; erwartet: 0.4%; aktuell: 0.2%
USA: Personal Spending (Juni) letzte: 0.4%; erwartet: 0.3%; aktuell: 0.3%
Die Einkommen der US-Haushalte nehmen weniger stark zu als bisher. Die Sparquote ist auf 3.4% gefallen. Es wird für die Haushalte schwieriger, die bisherige Konsumnachfrage zu finanzieren. Die Konsumausgaben für Güter sind bereits gefallen, während die Nachfrage nach Dienstleistungen immer noch gross ist.
Thomas Stucki
8021 Zürich
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