13. Mai 2024, Tägliche Marktsicht

Die Inflation ist hartnäckig

Die Inflationsraten sind zwar immer noch zu hoch, aber nicht mehr auf den Niveaus von 2022. Ein Blick hinter die Fassade der blossen Zahl zeigt, dass das Gespenst der Inflation den Weg zurück in die Flasche noch nicht gefunden hat.

Im Fokus

Zuerst die gute Nachricht: Die Inflationsraten sind zwar immer noch zu hoch, aber nicht mehr auf den Niveaus von 2022, die wirklich weh taten. In den USA liegt die Inflationsrate mit 3.5% im Bereich, der vor der Finanzkrise 2008 üblich war. In Deutschland ist der rasche Rückgang der Inflation von fast 9% auf 2.2% eindrücklich und hat die öffentliche Diskussion um die Preise entspannt. Ein Blick hinter die Fassade der blossen Zahl zeigt aber, dass das Gespenst der Inflation den Weg zurück in die Flasche noch nicht gefunden hat. Dabei sind die Treiber der Preisdynamik in der Schweiz und den anderen Industrieländern die gleichen, wenn auch in unterschiedlichen Höhenlagen.

Getrieben wird die Teuerung durch den Dienstleistungssektor. Während die Preise für die Waren stabil oder gar rückläufig sind, steigen die Preise für private Dienstleistungen stärker als normal. In den USA kosteten im März die Services im Vergleich zum Vorjahr 4.8% mehr, was die anhaltend hohen Lohnsteigerungen widerspiegelt. Üblich sind in diesem Bereich Preisanpassungen von 2% bis 3%. Solange die höheren Kosten dank der guten Nachfrage auf die Kunden überwälzt werden können und der Arbeitsmarkt eng ist, wird sich daran nur wenig ändern. In der Schweiz beträgt die Teuerung der privaten Dienstleistungen, welche rund 50% der Gewichtung im Index ausmachen, im April 2.3% und liegt damit über dem Zielband der SNB. In der Vergangenheit betrug diese rund 0.5%. Die Preisanpassungen bei den Dienstleistungen schwanken deutlich weniger als diejenigen bei den Waren, weshalb ihr Beitrag zur Inflationsrate nicht so schnell abnehmen wird.

Sowohl in den USA als auch in der Schweiz ist zudem die Inlandteuerung höher als diejenige der Importgüter. Die Inlandteuerung in der Schweiz lag im April bei 2.0%. Während die Preise im Inland in der Vergangenheit sehr stabil waren, wurde die Inflationsrate in der Schweiz durch die stark schwankenden Importpreise bestimmt. Dabei spielte neben den Energiepreisen vor allem der Franken die zentrale Rolle. Die Abschwächung des Frankens im ersten Quartal dieses Jahres wird ihre Wirkung auf die Importpreise erst in den nächsten Monaten richtig entfalten. Einen ersten Eindruck hat man aber im April bereits erhalten. Die importierte Inflation ist von -1.3% auf -0.4% gestiegen und wird weiter zunehmen.

Die Inflation wird somit ein Thema bleiben, nicht nur an den Finanzmärkten. In den USA wird die von der Fed als Entscheidungsmass betrachtete Kernrate nur langsam sinken. Da eine starke Gegenbewegung nach oben aber auch nicht zu erwarten ist, bleibt der Spielraum für Zinssenkungen vorhanden. Die Fed wird diesen in der zweiten Jahreshälfte für zwei Zinssenkungen nutzen, da das Zinsniveau in den USA für die Konjunktur aktuell zu hoch ist.

Für die SNB wird die Ausganglage für ihre Zinsentscheide nicht einfacher werden. Mit der vorzeitigen Zinssenkung im März hat sie den Finanzmärkten signalisiert, dass sie einen schwächeren Franken wünscht. Wenn die EZB im Juni mit Zinssenkungen beginnt, steigt der Druck auf die SNB, nachzuziehen. Ansonsten riskiert sie, dass die Stimmung im Devisenmarkt in Richtung starker Franken dreht und es zu einer deutlichen Aufwertung des Frankens kommt. Auf der anderen Seite wird die Inflationsrate noch etwas steigen und danach im oberen Bereich des Zielbandes verharren. Zinssenkungen sind in einem solchen Inflationsumfeld nicht opportun. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die SNB ab dem September dem Trend sinkender EZB-Zinsen nicht mehr wird entziehen können und dann noch zwei weitere Zinssenkungen bis auf 1.00% machen wird.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.32%, S&P500: +0.16%, Nasdaq: -0.03%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +0.61%, DAX: +0.46%, SMI: +1.31%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: geschlossen, HangSeng: -0.05%, S&P/ASX 200: +0.03%

Die Zinshoffnungen sind zurück. Ein paar schwächere Konjunkturdaten aus den USA genügten, um die Erwartungen an die Zinssenkungen der Fed wieder anzukurbeln. Aktien sind deshalb wieder hoch im Kurs, zumindest bis zu den nächsten Inflationszahlen. Der S&P 500 legte letzte Woche 1.85% zu. Die europäischen Aktien gewannen 3.32%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 3.87% abschloss.

Die Zinserwartungen an die Fed, respektive ihre Veränderungen, bleiben der wichtigste Faktor für die Stimmung an den Aktienmärkten. Die Inflation in den USA liegt mit 3.5% deutlich über dem Zielbereich der US-Notenbank. Insbesondere im Inland zeigt sich bei den Preisen für Dienstleistungen eine hartnäckige Entwicklung. Dies widerspiegelt eine gut laufende Wirtschaft und den engen Arbeitsmarkt. Die Zahl der offenen Stellen ist weiterhin deutlich grösser als die Anzahl Arbeitsuchender. Die Leute haben Arbeit und die Löhne steigen schneller als die Teuerung. Entsprechend geben sie ihr Geld mit beiden Händen aus und halten so die Wirtschaft am Laufen. Dies führt aber dazu, dass die inländischen Unternehmen ihre Preise weiter erhöhen müssen und können. Aufgrund dieser Entwicklung hat in den USA das Risiko zugenommen, dass die US-Notenbank ihre Zinssätze länger hochhalten muss, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Das wiederum wirkt sich negativ auf den Aktienmarkt aus, da damit alternative Investitionen attraktiver werden. Ein zusätzliches Risiko für die Aktien bleibt die angespannte Situation im Nahen Osten. Insbesondere dann, wenn ein sich ausweitender Krieg zu steigenden Rohstoffpreisen führt. Der stärkere Wind und die Böen führen zu erhöhtem Wellengang und sorgen für mehr Unsicherheit an den Aktienmärkten. Die Kursschwankungen werden in den nächsten Wochen erhöht bleiben. Einen markanten Einbruch der Kurse erwarten wir aber nicht.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.492%; DE: 2.508%; CH: 0.778%

Die Wogen am Kapitalmarkt haben sich geglättet. Das hängt vor allem damit zusammen, dass keine Inflationszahlen veröffentlicht wurden und es keine überraschenden Äusserungen der Zentralbank-Vertreter in den USA und der Eurozone gab. Das wird sich ändern, wenn am Mittwoch in den USA die Inflationszahlen für den April publiziert werden.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.9067
Euro in US-Dollar: 1.0772
Euro in Franken: 0.9766

Die Kursschwankungen an den Devisenmärkten sind kleiner geworden. Ob es die Ruhe vor dem Sturm ist, wird sich im Juni zeigen, wenn die EZB ihren Leitzins voraussichtlich erstmals senken wird.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 78.05 pro Fass
Goldpreis: USD 2'353.17 pro Unze

Der Goldpreis ist auf den höchsten Stand seit drei Wochen gestiegen. Der zunehmende Optimismus, dass die Fed die Zinsen doch noch senken wird, stimuliert die Fantasie für das gelbe Metall.

Wirtschaft

Grossbritannien: BIP-Wachstum (Q1 2024)
letztes: -0.3%; erwartet: 0.4%; aktuell: 0.6%

Die britische Wirtschaft ist nach zwei negativen Quartalen und dem Fall in die Rezession in den ersten Monaten dieses Jahres wieder gewachsen. Das Wachstum ist dabei überraschend stark und breit abgestützt ausgefallen. Sowohl die Konsumausgaben als auch die Investitionen haben zugelegt.

Thomas Stucki

Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich