06. Mai 2024, Tägliche Marktsicht

Die Schweizer Zinsen koppeln sich ab

Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe pendelt um 0.75% herum, der 10-jährige Franken-Swapzins um 1.20%. Da kann die Finanzwelt rundherum in Aufruhr sein, in der Schweiz herrscht zinsmässig Ruhe.

Im Fokus

Die Rendite der 10-jährigen US-Treasury Note ist seit Anfang Jahr von 3.80% bis auf 4.60% gestiegen. Fällt einer der vielen verschiedenen Inflationsindikatoren in den USA etwas höher aus als erwartet, machen die Renditen einen Sprung nach oben. Ist der Wert etwas tiefer als erwartet oder befürchtet, sinken die Renditen markant. Die wechselnde Erwartung, «wann» und mittlerweile eher, «ob» die Fed ihren Leitzins senken wirkt, treibt die amerikanischen Finanzmärkte vor sich her.

Die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe ist von 1.90% bis auf 2.60% gestiegen, obschon die EZB offensichtlich entschlossen ist, im Juni mit Zinssenkungen zu beginnen. Die Renditen deutscher Obligationen machen das, was die europäischen Zinsen üblicherweise immer machen: sie folgen der Vorgabe aus Amerika und bewegen sich in die gleiche Richtung. Dabei spielt die Frage, ob die Zinsanpassung fundamental gerechtfertigt ist, meistens keine Rolle.

Das gilt normalerweise auch für die Zinsen in der Schweiz. Seit Anfang Jahr ist aber alles anders. Die Rendite der 10-jährigen Eidgenossen-Anleihe pendelt um 0.75% herum, der 10-jährige Franken-Swapzinses um 1.20%. Da kann die Finanzwelt rundherum in Aufruhr sein, in der Schweiz herrscht zinsmässig Ruhe. Steigt die Inflationsrate in der Schweiz überraschend stark an wie im April, ist das den Zinsen kein Zucken wert. Dabei ist die Inflationsdynamik die gleiche wie in den USA. Preiserhöhungen im Dienstleistungssektor dominieren die Inflationsrate. Die privaten Dienstleistungen sind im Vergleich zum Vorjahr 2.3% teurer. Die Inflation in diesem Bereich liegt damit über der Obergrenze der SNB von 2%. Wie in den anderen Ländern ist der Inflationsdruck bei den Dienstleistungen zudem hartnäckig konstant. Dass der seit Anfang Jahr deutlich billigere Franken zusammen mit der Leitzinssenkung der SNB eine erhebliche Lockerung der geldpolitischen Rahmenbedingungen bedeutet, hinterlässt bei den Zinsen auch keine Spuren, obwohl dadurch die Wirtschaft und die Preise angeheizt werden. Die Meinungen im Schweizer Kapitalmarkt sind gemacht. Die SNB wird den Leitzins bis im nächsten Frühjahr von 1.50% auf 1.00% senken. Die Frage des «ob» scheint sich nicht zu stellen. Vielmehr geht es nur darum, «wann» die beiden Zinsschritte vollzogen werden. Die Mehrheit der Finanzmarktteilnehmer geht davon aus, dass es im Juni mit der Eigenständigkeit der SNB vorbei ist und sie die erwartete Zinssenkung der EZB nachvollziehen wird. Solange sich an den Zinserwartungen an die SNB nichts ändert, werden sich auch die Kapitalmarktzinsen nicht bewegen. Dass die realen Renditen der Eidgenossen-Anleihen deutlich negativ sind und die Renditen von Unternehmensanleihen kaum die Inflation entschädigen, ist nicht von Bedeutung.

Diese Haltung ist für die nächsten Monate gar nicht so falsch. Dass die SNB mit Zinssenkungen plötzlich aufhört, ist unwahrscheinlich, da die Leitzinssenkung im März sonst wirkungslos verpufft. Dass die SNB den Zins deutlich unter 1.00% drückt, ist genauso unwahrscheinlich, solange die Wirtschaft nicht in eine starke Rezession abrutscht, wofür es keine Anzeichen gibt. Auf den Franken-Obligationen werden die Anleger in diesem Jahr deshalb die aktuelle Rendite verdienen. Vor massiven Kursverlusten aufgrund höherer Zinsen müssen sie sich genauso wenig fürchten, wie sie mit Kursgewinnen dank tieferer Zinsen rechnen können.

Aktienmärkte

US-Aktienmärkte
Dow Jones: +1.18%, S&P500: +1.26%, Nasdaq: +1.99%

Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: +0.63%, DAX: +0.59%, SMI: +0.56%

Asiatische Märkte
Nikkei 225: geschlossen, HangSeng: -0.05%, S&P/ASX 200: +0.03%

Die Kursschwankungen an den Aktienmärkten sind anhaltend gross und erratisch. Getrieben werden sie von den Inflationserwartungen in den USA. Fallen die Konjunkturdaten schlechter aus als erwartet, wie dies am Freitag mit den Arbeitsmarktdaten und dem Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor geschehen ist, kommt es kurzfristig zu einem Kursrallye. Der S&P 500 legte letzte Woche 0.55% zu. Die europäischen Aktien verloren 1.71%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 0.28% abschloss.

Die Inflation in den USA liegt mit 3.5% deutlich über dem Zielbereich der US-Notenbank. Insbesondere im Inland zeigt sich bei den Preisen für Dienstleistungen eine hartnäckige Entwicklung. Dies widerspiegelt eine gut laufende Wirtschaft und den engen Arbeitsmarkt. Die Zahl der offenen Stellen ist weiterhin deutlich grösser als die Anzahl Arbeitsuchender. Die Leute haben Arbeit und die Löhne steigen schneller als die Teuerung. Entsprechend geben sie ihr Geld mit beiden Händen aus und halten so die Wirtschaft am Laufen. Dies führt aber dazu, dass die inländischen Unternehmen ihre Preise weiter erhöhen müssen und können. Aufgrund dieser Entwicklung hat in den USA das Risiko zugenommen, dass die US-Notenbank ihre Zinssätze länger hochhalten muss, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Das wiederum wirkt sich negativ auf den Aktienmarkt aus, da damit alternative Investitionen attraktiver werden. Ein zusätzliches Risiko für die Aktien bleibt die angespannte Situation im Nahen Osten. Insbesondere dann, wenn ein sich ausweitender Krieg zu steigenden Rohstoffpreisen führt. Dieses Risiko hat in unseren Augen zugenommen. Der stärkere Wind und die Böen führen zu erhöhtem Wellengang und sorgen für mehr Unsicherheit an den Aktienmärkten. Die Kursschwankungen werden in den nächsten Wochen erhöht bleiben.

Kapitalmärkte

Renditen 10 J: USA: 4.508%; DE: 2.495%; CH: 0.778%

Das muntere Wechselspiel im Kapitalmarkt geht weiter. Im Vorfeld des Fed-Meetings vom letzten Mittwoch ging die Angst um, dass Fed-Präsident Powell Zinssenkungen eine Absage erteilen würde, und die Renditen stiegen auf neue Höchststände. Am Freitag genügten ein paar neue US-Stellen weniger als erwartet, um die Renditen der Obligationen in den freien Fall übergehen zu lassen. Seriöse Fundamentalanalyse des Zinsumfelds sieht anders aus. Die Schweizer Obligationen interessiert das nur am Rande und dann vor allem, wenn die Renditen in den USA fallen.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.9060
Euro in US-Dollar: 1.0764
Euro in Franken: 0.9753

Der US-Dollar hat seine Freunde verloren, nachdem es mit Zinserhöhungen der Fed wahrscheinlich nichts wird. Er verlor innert zwei Tagen gegenüber dem Franken zwei Rappen an Wert. Das zeigt, wie spekulatives Geld momentan die kurzfristigen Kursentwicklungen prägt.

Rohstoffmärkte

Ölpreis WTI: USD 78.35 pro Fass
Goldpreis: USD 2'309.46 pro Unze

Der Ölpreis ist deutlich gesunken. Mit der Einheit innerhalb der Opec scheint es für den Moment vorbei zu sein. Verschiedene Förderländer kündigten an, ihre Produktion zu erhöhen. Saudi Arabien wird am nächsten Meeting der Opec in einem Monat gefordert sein, die reduzierten Förderquoten durchzusetzen, da sonst der Preis weiter fallen wird.

Wirtschaft

USA: Non Farm Payrolls (April) letzte: 315’000; erwartet: 240’000; aktuell: 175’000
USA: Arbeitslosenrate (April) letzte: 3.8%; erwartet: 3.8%; aktuell: 3.9%

Nach dem starken Start ins Jahr hat die Jobmaschine in den USA im April in einen tieferen Gang geschaltet. Die Abschwächung in der Dynamik ist in verschiedenen Sektoren des Dienstleistungsbereichs zu erkennen. Das kommt der Fed gelegen, da dadurch der Lohndruck abnimmt, was die Inflation dämpfen wird. Von einer Trendwende zu sprechen, ist jedoch noch verfrüht.

Thomas Stucki

Leiter Investment Center
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich